Flensburger Verhältnisse
Roderich Weiler hatte sich zurechtgemacht wie ein Sportler, der voll im Training steht. Teure Laufschuhe, der Trainingsanzug der Handballmannschaft, deren größter Sponsor die Flensburger Sparkasse war, natürlich mit dem Logo auf dem Rücken und auf der Brust und die legendäre Basecap, die Sepp, dem ebenso legendären Trainer der Mannschaft anscheinend am Kopf festgewachsen war. Dabei war Weilers letzte sportliche Aktivität wahrscheinlich das Ausschalten seines Großbildfernsehers nach dem letzten Spiel der Handball-WM gewesen. Er quetschte seine stattlichen zwei Meter Körpergröße in den schmalen Sessel der Lounge. »Was soll das hier werden? Ein Verhör?«
Robo und Biene blickten sich an, fast unmerklich gab er ihr das Kommando, die Gesprächsführung zu übernehmen.
»Keineswegs, Herr Weiler. Wir möchten nur ein paar …«, sie zögerte einen winzigen Moment lang, »Informationen über die beiden Kriminalfälle einholen. Wir würden schon gerne wissen, ob es eine Verbindung zu ihrem Geldinstitut geben könnte.«
Weiler lachte und winkte der Kellnerin, ihm ein Bier zu bringen. Das Mädchen war so freundlich, an den Tisch zu kommen und auch unsere Bestellungen aufzunehmen.
Als sie fertig war, wartete er, bis sie außer Hörweite war, bevor er antwortete. »Sie glauben doch nicht im Ernst, dass ich irgendetwas, auch nur das Geringste, mit diesem Mord zu tun habe, oder?«
Biene schüttelte leicht den Kopf. »Wie ich schon sagte, es geht gar nicht um Sie, Herr Weiler. Aber wir haben einige Informationen, die darauf hindeuten, dass die Sparkasse sehr wohl in unseren Ermittlungen eine Rolle spielen könnte.«
Weiler sah sie mit einem Blick an, der alles an Verachtung zum Ausdruck brachte, was er einer kleinen Kriminalbeamtin gegenüber empfinden konnte. »Junge Frau, eines sollten Sie wissen. Die Flensburger Sparkasse, das bin ich. In meinem Unternehmen gibt es nichts, was ich nicht wüsste, Und wenn ich nicht in den Fall verwickelt bin, dann kann es auch die Sparkasse nicht sein.«
Biene runzelte die Stirn. »Dann sollten wir vielleicht wirklich klären, ob das hier die Vernehmung eines Verdächtigen ist und nicht nur ein unverbindliches Informationsgespräch.«
Jetzt hatte sie Weiler da, wo sie ihn hinhaben wollte. An seinem Hals trat eine pulsierende blaue Ader hervor, sein Gesicht fing von unten an, rot anzulaufen. »Das war die letzte Unverschämtheit, die ich mir von Ihnen gefallen lasse. Betrachten Sie das als Warnung. Wenn nicht, werden sie ihr Verhalten dem Polizeipräsidenten erklären dürfen.«
Er wendete sich der Kellnerin zu, die mit den Getränken an den Tisch gekommen war. »Schreib das auf meine Rechnung.« Es sollte großzügig klingen, kam allerdings deutlich mehr großspurig heraus. Als sie die Gläser auf den Tisch gestellt hatte, fuhr er fort. »Wenn ich mit Menschen wie Jan Ohlsen oder Willi Maschke ein Problem habe, muss ich sie nicht umbringen oder umbringen lassen.«
Er nahm einen Schluck von seinem Bier. »Ich kündige ihnen einfach die Kreditlinie, verstehen Sie? Das bringt sie auch um, aber sie merken es noch viele Jahre lang. So etwas ist nicht nur sauberer als ein Mord, sondern auch viel befriedigender und nachhaltiger. Andere werden sich danach nämlich überlegen, ob sie Streit mit mir haben wollen.« Er blickte triumphierend zu Robo hinüber.
»Ohlsen und Maschke hatten also Kredite bei der Flensburger Sparkasse?« fuhr Biene ungerührt fort.
Die Ader an Weilers Hals schwoll wieder an. »Das werde ich Ihnen erzählen, wenn Sie mit einem Durchsuchungsbescheid bei mir im Büro stehen. Bis dahin unterliegen solche Angaben natürlich dem Bankgeheimnis.«
Biene blickte ihn treuherzig an. »Ich habe eigentlich nur gefragt, weil Ihre Aussage von gerade sonst wenig Sinn macht. Sie könnten dann das Problem mit ihnen ja nicht durch die Kündigung der Kreditlinie lösen, oder?«
Weiler stemmt die Arme auf die Sessellehnen und drückte sich aus dem Möbelstück. »Ich habe Sie gewarnt«, wandte er sich an Robo, »ich habe es nicht nötig, mich so behandeln zu lassen.« Er ging zum Ausgang, ohne sich auch nur einmal zu uns umzusehen.
Biene lehnte sich zurück und nahm das Weinglas vom Tisch. »Der hat Dreck am Stecken, darauf wette ich mein Weihnachtsgeld.«
»Erstens ist dein Weihnachtsgeld schon vor Jahren dem Rotstift der Landesregierung zum Opfer gefallen und zweitens würdest du an diesem Tisch niemanden finden, der dagegen hält«, antwortete Robo.
Ich wischte mir den Bierschaum von den Lippen. »Ihr meint, der steckt da mit drin?«
Biene schüttelte den Kopf. »Solche Typen machen sich nicht die Hände schmutzig, das was er gesagt hat, wird schon stimmen. Aber er weiß viel mehr, als er uns gegenüber freiwillig zugeben würde.«
Robo hatte sein Mineralwasser schon ausgetrunken. »Und trotzdem werden wir uns für morgen auf ein unschönes Gespräch beim Alten einstellen müssen.« Er grinste, als Biene ihn erschreckt ansah. »Aber du musst morgen zu Maschke ins Krankenhaus. Ich regel das schon.« Er stand auf und reckte sich. »Und jetzt will ich nach Hause, der Tag war wieder mal viel zu lang. Ramona wartet sicher schon.«
Flensburger Verhältnisse erscheint voraussichtlich im Winter 2016/2017.