Corona – Kapitel 1

„Na? Who am I“ Biene hielt sich die Hand vor den nackten Bauch, so dass ihre Brüste wie Augen wirkten, die Hand wie eine Nase und unter ihrem Bauchnabel ragte ein kunstvoll frisierter Busch, der aussah wie ein Schwurbelbart.

Ich kratzte mich am Kopf.  Natürlich war ich selbst schuld. Ich hatte gesagt, dass ich bei aller Hygiene und auch wenn die Totalrasur immer noch total in sei, Schamhaare keinesfalls eklig finde. Seitdem frisierte sie sich mindestens einmal in der Woche nach einem Prominenten und ich musste raten.

„Das ist viel zu einfach“, antwortete ich, „Horst Lichter. Aber ich habe auch ein Rätsel, das löst du garantiert nicht so schnell auf.“

Biene zwirbelte die sorgsam mit Gel ondulierten Haare wieder in ihre natürliche Position. „Du bist ein Spielverderber.“ Ich setzte die Kaffeetasse ab, faltete die Zeitung zusammen und legte sie auf den Tisch. „Willst du mein Rätsel gar nicht hören?“

Sie stellte sich auf den linken Fuß und kratzte sich mit dem rechten am linken Knie. „Doch, Sag schon.“

„Ich wette, du rätst nie, wer gerade am Fenster steht und dir auf deinen süßen nackten Hintern glotzt.“

Biene setzte den linken Fuß auf den Boden, sah mich ungläubig an, drehte sich um 90 Grad um die eigene Achse, blickte durchs Fenster, sah Mehlmeiers Fratze hinter der Scheibe, schrie auf und rannte wie vom Blitz getroffen nach oben, von wo sie ein paar Minuten zuvor erst gekommen war. „Mehlmeier, die perverse Sau!“

Ich stand auf und ging zur Tür. Bevor ich öffnete, rief ich ihr zu „Du hast gekuckt, das giltet nicht!“

Dann warf ich die schwere Holztür mit Schwung auf, so dass Mehlmeier, der schräg dahinter stand, beide Hände hochreißen musste, um sie abzufangen und nicht an den Kopf zu kriegen. „Mehlmeier! Spanner werden hier zuerst von der Tür erschlagen und bekommen dann ganz langsam die Augen ausgedrückt. Hier gilt Scharia-Recht.“

Mehlmeier hatte sich wieder gefangen und sah mich von unten her trotzig an. Er war noch nie groß gewesen, aber jetzt, mit über achtzig, war er mehr als einen Kopf kleiner als ich. Er rollte mit einer Hand seine Kippe fertig.  Leckte die Gummierung an und vollendete eine perfekt runde Zigarette ohne Filter.

„Bis du jetzt schwul geworden, Chip?“

Ich fand es nicht erforderlich, auf solch eine dämliche Frage zu antworten.

Mehlmeier nahm eine Streichholzschachtel aus der Hosentasche, öffnete sie blitzschnell und geschickt mit einer Hand, fingerte ein einzelnes Hölzchen heraus und entzündete sich damit seine Zigarette. Ein Feuerzeug hätte wesentlich weniger Mühe gemacht, aber dafür auch wesentlich weniger Eindruck.

Er inhalierte tief und ließ den Rauch ganz langsam wieder aus dem Mund entweichen. „Deine Frau hat einen Arsch wie ein Mann.“, krächzte er.

Ich konnte den Blick nicht von den Rauchwolken nehmen, die ihm aus dem Mund stiegen. „Mehlmeier, der einzige Arsch, den du in den letzten fünfzig Jahren gesehen hast, ist doch der, den du jeden Morgen rasierst. Du hast doch von Ärschen überhaupt keine Ahnung.“

Er hielt mir seine Tabakpackung entgegen. Seit fast genau zwei Jahren war das unser tägliches Ritual. Er bot mir etwas zu Rauchen an und ich lehnte es ab. Für mich war das Gefühl dabei wichtig, um zu entscheiden, ob meine Sucht wieder dabei war, mich zu kontrollieren. Im Moment ekelte es mich ein wenig, bei dem Gedanken, mir jetzt eine Zigarette anzuzünden. Ich schüttelte den Kopf und er schob die Packung wieder in die Jackentasche. „Und sonst?“

Mehlmeier inhalierte ganz tief und ließ die Rauchwolken jetzt im Takt seiner Worte entweichen. „Die Ratten verlassen das sinkende Schiff.“

Ich machte einen Schritt zurück und nahm meine Jacke vom Haken Auch wenn dieser März, wie so oft in Flensburg, wieder einmal besonders schön und sonnig war, pfiff der Wind doch noch ganz schön kalt durch die Kaufmannshöfe entlang des Hafens. Als ich wieder vor die Tür trat, kam Biene die Treppe hinunter, zog sich auch eine Jacke an und trat hinter mir aus der Tür in den sonnigen Hof. „Na, Mehlmeier, hat’s die gefallen?“

„Er meint, du hättest einen Arsch, wie ein Mann.“

Biene hob eine Zigarettenkippe vom Boden auf und steckte sie Mehlmeier in die Jackentasche. „Der einzige Arsch, den ich habe ist Mieter in meinem Haus und heißt Mehlmeier.“ Sie nahm die nächste Kippe und legte sie vor Mehlmeier auf den Tisch. „Rede dich nicht raus. Hier kommt niemand hin und wirft seine Kippen weg, nur um dich anzuschwärzen. Kauf dir einen verdammten Taschenaschenbecher oder geh die zwanzig Schritte  zum Mülleimer, verdammt noch mal.“ Sie drückte mir einen Kuss auf die Stirn. „Ich muss zum Dienst, bis später.“

„Ja, ja. Immer im Einsatz, unsere Freunde und Helfer. Auch wenn sie ihre eigenes Leben dabei aufs Spiel setzen.“ Mehlmeier sagte das gerade so laut, dass Biene es noch hören konnte, aber sie ließ sich nicht provozieren. Sie winkte mir noch einmal zu und verschwand zu Fuß um die Ecke. Ihren Arbeitsweg von weniger als 300 Metern anders als zu Fuß zu bewältigen, war ihr bisher noch nicht in den Kopf gekommen.

„Welche Ratten?“, fragte ich Mehlmeier, der sich mittlerweile am Tisch niedergelassen hatte.

„Na, alle die, die ein Sommerhäuschen an der Ostsee haben. Oder woanders nicht so weit weg. Hauptsache, sie schaffen es im Notfall noch in die Diako.“ Er lachte gackernd und nahm schon wieder seinen Tabakbeutel heraus. „Du weißt doch, Corona, der große Gleichmacher. Der eine kommt aus der Sommerresidenz in Norgardholz in die Intensivstation, der andere aus seinem vergammelten Loch im Hinterhof der Harrisleer Straße. Zum Sterben treffen sie sich, da sind sie alle gleich.“

Ich zog mir einen Stuhl heran. „Hast du gar keine Angst, an dem Scheiß zu streben? Du bist doch schon nicht mehr nur Risikogruppe, du bist doch schon überfällig.“

Mehlmeier winkte ab. „Hab ich dir mal erzählt, wie ich geboren wurden bin?“

Ich schüttelte den Kopf.

„Mein Alter war schon neununddreißig ins KZ gekommen. Jude und Kommunist, eigentlich hätten sie ihn zwei Mal vergasen müssen, die Nazis, aber irgendwie haben sie ihn anscheinend vergessen. Meine Mutter konnte die Wohnung in Königsberg natürlich nicht halten und ist zu ihren Eltern aufs Land gegangen. Und da wurde ich dann am zweiten Februar 1940 zur Welt gebracht, ein erbärmliches kleines Menschlein. Zwei Wochen später ist sie nur noch zum Schreien aufgewacht, weil sie die Schmerzen nicht mehr ertrug und noch mal eine Wochen weiter ist sie gar nicht mehr aufgewacht.“ Er rieb sich mit dem Handrücken über die Augen. „Typhus.“

Ich war verwirrt. „Aber deine Mutter hat doch…“

Mehlmeier winkte ab. „Das war nicht meine Mutter. Die ist drei Wochen nach meiner Geburt gestorben. Ihre Schwester hat mich einfach zu sich genommen und offenbar habe ich Glück gehabt, denn ich habe weder Typhus noch irgend eine andere Krankheit bekommen, die damals so umliefen.“ Er legte die brennende Zigarette auf den Aschenbecher und fing an, sich eine neue zu drehen. „Das würde doch gut passen, bei der Geburt ist er der Seuche noch entwischt, aber ihm Alter hat sie ihn dahin gerafft.“  Er lachte trocken und zündete die eine Zigarette an der anderen an. „Ich bin nicht mehr so versessen aufs Weiterleben. Noch macht’s zwar Spaß, aber wenn es zu Ende sein, soll, dann ist das eben so.“

Ich war noch nicht mit seiner Familiengeschichte durch. „Aber dein Vater, das war schon der Richtige, oder?“

Mehlmeier nickte. „Der Alte ist 1945 von der tapferen Sowjetarmee aus dem KZ befreit worden, mehr tot als lebendig zwar, aber er hat es irgendwie überlebt und hat zwei Jahre später mit dem Roten Kreuz sogar die Familie seiner Frau wieder gefunden.“

„Und was war mit seiner Familie?“

„Alle im Gas gestorben“, gab er lakonisch zurück, „waren ja Juden.“

„Alle?“

„Alle. Fast zweihundert haben wir ausfindig gemacht, von denen keiner übrig geblieben ist, nur der Alte.“

„Und deine …“, ich zögerte, denn ich war immer davon ausgegangen, dass die rundlich resolute Frau, die ich auf den Fotos mit Mehlmeier und seinem Vater zusammen gesehen hatte, seine Mutter gewesen war.

„Natürlich war Elsbeth meine Mutter. Sie hat mich genommen, als ich zwei Wochen alt war, und wenn sie mir nicht erzählt hätte, wie das alles wirklich gewesen ist, hätte ich gar nicht gewusst, dass meine Mutter eine andere war.“

Er seufzte und nahm erneut den Tabakbeutel, um sich eine zu drehen. „Der Alte kam im Herbst 47, kurz vor meinem achten Geburtstag und vermutlich konnte er sich gar nicht mehr an meine Mutter erinnern, er war ja neun Jahre lang weg gewesen. Und dann war alles ganz einfach. Er war der Vater von dem Kind, das Elsbeth großgezogen hatte. Und sie hatten beide kein Partner, also haben sie sich zusammen getan und geheiratet.“

„Eine Zweck-Ehe?“

Mehlmeier schüttelte den Kopf. „Das kannst du glauben, dass die beiden sich auch geliebt haben. Vielleicht hat das eine Zeit lang gedauert, so kurz nach dem Krieg, mit  einem Kind an den Hacken und ohne was zu futtern. Aber dann…“ Er redete nicht weiter und zündete sich die nächste Zigarette an. „Die beiden waren einfach füreinander gemacht.“

„Und wer sind jetzt die Ratten, die das sinkende Schiff verlassen?“, versuchte ich diesen Faden unseres Gesprächs wieder aufzunehmen.

Mehlmeier zwinkerte. „Weißt du doch. Die scheuen Rehe.“

Wir kicherten im Gleichklang. Der Spruch „Investoren sind scheue Rehe, die man nicht verschrecken darf“, stammte ursprünglich vom Chef der Flensburger CDU, aber längst war er zu einem Running-Gag geworden, wenn die scheuen Rehe sich bei Veranstaltungen gegenseitig auf den Füßen standen, wenn es galt, der Stadt wieder einmal ein Grundstück zum Spottpreis aus dem Bestand zu leiern.

„Ach komm, Mehlmeier, die scheuen Rehe sind och nur an Flensburg und seinem Wohlergehen interessiert. Von denen würde doch keiner ins Umland abhauen, solange es hier noch Probleme gibt.“ Von oben ließ sich der massige weiße Kater, der uns hier zugelaufen war auf den Tisch zwischen dem Alten und mir sinken und hielt mir die Kehle zum Streicheln hin. „Außerdem“, fuhr ich fort, „bist du doch selbst eines von den Rehlein. Und du wirst doch wohl nicht hier weggehen, oder?“

„Ich bin doch“, Mehlmeier schnaubte leise und fasste den Kater im Nacken, der sich wie ein Schoßhündchen zu ihm umdrehte und ihm auf den Schoß sprang um sich kraulen zu lassen „nur ein kleines Mäuschen, das es manchmal schafft, den großen Ratten einen Futterbrocken wegzunehmen.“

Das war jetzt eine sehr zurückhaltende Beschreibung dessen, was Mehlmeier in den letzten vierzig Jahren gemacht hatte. Sein Vater hatte in einem halben Keller im Stadtteil Duburg, „auf Duburg“, wie die Flensburger sagen, den ersten ordentlichen Lebensmittelladen der Stadt eröffnet. In eine Zeit, in der man die Milch beim Milchmann, das Obst beim Obsthändler und das Gemüse im Gemüse-Markt kaufen musste, war das eine beinahe revolutionäre Idee gewesen. Hier konnte die Hausfrau, Männer kauften zu der Zeit natürlich nicht ein, alles bekommen, wozu sie sonst in drei oder ehr verschiedene Läden hätte gehen müssen.

Der Laden lief dementsprechend und warf auch genügend Geld ab, um einen weiteren in der Innenstadt zu eröffnen, diesen schon mit größeren Kühltheken, so dass die Kundinnen sich auch den Besuch beim Metzger sparen konnten. Und das Ganze unter dem Mädchennamen seiner Frau. „Elsbeth Meier – Lebensmittel immer frisch“ stand auf den Schildern über den 12 Läden die Mehlmeiers Vater mittlerweile besaß, als Mehlmeier in den frühen Sechzigern von seiner als Walz als Tischlergeselle zurückkam.

Vielleicht hätte es eine Erfolgsgeschichte wie den Albrecht-Brüdern werden können, aber Mehlmeier, der jetzt unter seinem richtigen Namen ‚Friedrich Goldberg‘ als Teilhaber in das Geschäft einstieg, war kein Lebensmittel-Krämer. Er hatte zwar als erster die Idee gehabt, dass es sinnvoll sein könnte, die Kunden mit Sonderangeboten in die Läden zu locken und so auch seinen Namen bekommen.

Zur Feier der Teilhaberschaft von Friedrich Goldberg in der Firma Elsbeth Meier, erlauben wir uns, Ihnen in den nächsten vier Wochen das Mehl zum Sonderpreis anzubieten. So stand es auf dem Reklameschild, das Mehlmeier immer noch in seiner Wohnung aufbewahrte. Ein ganzes Jahr lang hatten sie das Mehl für 50 Pfennige verkauft, obwohl das weiße Pulver überall sonst mehr als eine Mark gekostet hatte. Dabei hatten sie nicht einmal Verlust gemacht, sondern das Produkt nur zum Einkaufspreis wieder abgegeben. Nach dem Jahr hatte Friedrich den Namen Mehlmeier sitzen und die Firma Elsbeth Meier hatte alle acht Konkurrenten in ihrer Nische aufgekauft und war sogar in die umliegenden Ortschaften hinausgewachsen.

Aber Mehlmeier hatte am liebsten in den Läden gestanden und neue Tresen eingebaut, hatte die Dächer der Häuser repariert, die die jetzt immer öfter der Firma gehörten und nicht nur gemietet waren. Und genau in dieser Situation hatte ihn ein Hutträger im dunklen bodenlangen Mantel angetroffen, der aus Bonn kam und für die Bundeswehr auf der Suche nach Häusern und Grundstücken war. Keine Woche verging, bevor Mehlmeier mit seinem Vater beim Notar saß und der Ankauf und Verkauf dieses einen Hauses ihnen mehr Geld einbrachte als alle Lebensmittelläden zusammen.

Und dann dauerte es auch nicht mehr lange, bis die Lebensmittelläden, alle bis auf den ursprünglichen auf Duburg, verkauft waren an eine der neuen Genossenschaftsketten, die zu der Zeit auf den Markt kamen. So verkaufte Elsbeth Goldberg fortan weiterhin Lebensmittel, ihr Mann saß dabei auf seinem Sessel in der Ecke und studierte die Zeitungen. Friedrich aber kaufte Grundstücke, kaufte Häuser, renovierte sie und verkaufte sie auch wieder. Das Ganze verlief so erfolgreich, dass er sich 1980, mit vierzig, hätte zur Ruhe setzen können, aber nichts lag Mehlmeier ferner. Noch heute mussten Bien und ich ihn mit Gewalt davon abhalten, aufs Dach zu klettern, wenn der Sturm eine Pfanne herabgeweht hatte.

Mehlmeier konnte also wahrlich mehr, als den Großen mal einen Brocken wegschnappen: Wenn er etwas wollte, mussten die Großen sich schon zusammen tun, um ihn auszustechen. Jetzt hielt er dem Kater die Wange hin, der ihm ausgiebig und zärtlich die buschigen Augenbrauen putzte. „Sie sind solche erbärmlichen Nichtsnutze. Kaum wird es mal schwierig, hauen sie ab. Wenn wir hier nicht die beste Medizin der Welt hätten und sie sich alle in die Hose machen, dass sie sich anstecken könnten, dann wären sie bestimmt in der Karibik.“ Er schüttelte den Kopf und knäulte das Ohr des Katers zwischen Daumen und Zeigefinger, als wolle er Tabak hineingeben und eine Zigarette daraus machen.

Er lachte leise. „Letzte Woche war Jakobsen bei mir und hat mich angebettelt, ihm ein Appartement zu vermieten. Er hat eine Geliebte, die seit Jahren in dem Ferienhaus wohnt, in das er jetzt mit seiner Frau einziehen will.“

„Und? Hast du ihm eins vermietet? Oder verkauft?“

Mehlmeier nickte. „Vermietet, für die doppelt Miete, die ich sonst nehmen würde. Aber er war in Not, die habe ich genau so ausgenutzt, wie er das bei seinen Mietern macht.“ Er schob den Kater von seinem Schoß auf den Tisch und griff nach seinem Tabaksbeutel. „Die Hälfte der Miete werde ich dem Frauenhaus spenden, die brauchen das Geld dringender als Jakobsen, glaube ich.“

Vom Hafen her hörten wir Schritte und wenige Sekunden später kamen zwei Joggerinnen den Weg entlang gejoggt, wie vorgeschrieben, mit dem nötigen Mindestabstand. Mehlmeier ließ sie sie vorbei joggen und pfiff dann anerkennend durch die Zähne. Eines der Mädchen blieb stehen und blickte sich verärgert zu uns um. Mehlmeier machte eine Bewegung, als ob er vom Stuhl aufstehen und einen Hut ziehen würde, blieb dabei aber fast unbeweglich auf seinem Stuhl sitzen.

„Verzeihen Sie, junge Frau. Mein junger Freund hat das nicht böse gemeint.“ Er lächelte sie an und ihre Gesichtszüge entspannten sich. „Wenn ich ganz ehrlich bin“, sabbelte Mehlmeier weiter, „muss ich zugeben, dass ich vor dreißig Jahren sicher auch gepfiffen hätte, wenn zwei so wunderschöne Frauen an mir vorbeilaufen.“

Die andere Joggerin, die schon ein paar Meter weitergelaufen war, hatte umgedreht und stand jetzt neben ihrer Freundin. Die beiden schmolzen beinahe dahin, als Mehlmeier jetzt wirklich aufstand und eine Verbeugung machte. Er lächelte ihnen noch einmal zu und setzte sich mit den Worten „Nehmen Sie es ihm bitte nicht übel, er weiß es nicht besser.“, wieder hin. Die beiden warfen mir einen Blick zu, der unwesentlich weniger finster war, als wenige Minuten zuvor, drehten sich um und joggten weiter.

„Das sind Ärsche“, sagte Mehlmeier beim Anblick der austrainierten Hinterteile der jungen Frauen in den schimmernden Laufhosen. „Du musst deiner mehr zu essen geben und sie dann zum Joggen schicken. Dann klappt das auch bei ihr.“
Er duckte sich, um dem Tabaksbeutel auszuweichen, den ich nach ihm geworfen hatte, der Kater sprang auf und rannte ins Haus, Mehlmeier stand auf, hob den Beutel auf und ging durch das Hoftor in Richtung seiner Wohnung. „Ich glaube langsam, du bist doch schwul.“, sagte er, lachte schallend und verschwand im Treppenhaus.